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Märchen

Die Wanderung des Riesen

Vor langer Zeit, da lebten noch große Ungetüme auf dieser Welt und für die kleinen Menschen war die Zeit noch nicht reif. Es war einst ein mächtiger Riese, der hauste in einer großen Höhle, doch einmal wollte er umherwandern und sich die Welt besehen. So zog er seine groben Holzschuhe an, die er sich selbst aus dicken Baumstämmen gefertigt hatte, legte seinen Bärenfellmantel um und machte sich auf den Weg. Eigentlich gab es noch keinen Weg und so wanderte er an einem fließenden Wasser entlang. Es war recht mühsam, denn Holzschuhe sind keine Siebenmeilenstiefel bald war er müde, lehnte sich an einen Berg und schlief ein.
Inzwischen war der Winter hereingebrochen, aber der Riese merkte es nicht, denn er schlief tief und fest. Der weiche Schnee deckte ihn zu und bald war nichts mehr von ihm zu sehen. Väterchen Frost kam mit seinen Gesellen und packte Eis über den Schnee und niemand sah mehr den Riesen, der in einem immerwährenden Winterschlaf versunken war.
Nach unendlich langer Zeit bliesen warme Winde und Eis und Schnee schmolzen langsam. Überall kam Wasser zum Vorschein und der Riese schlief noch immer. Erst als ein Stück des Berges abbrach, an den er sich gelehnt hatte und mit Donnergetöse ins Tal krachte, da erwachte der Riese aus seinem Winterschlaf. Er reckte und streckte sich und kroch auf allen Vieren weiter, denn der vereiste Mantel aus Bärenfell war so schwer, daß er ihn kaum tragen konnte und ablegen, das ging erst recht nicht. Denn seine Haare waren mit dem Bärenfell wie verwachsen. Der Riese wurde richtig wütend und alles was auf seinem Wege lag, schob er vor sich her. Baumstämme, halbe Berge und Felsbrocken, Erde und Schlamm. Immer weiter ging es berabwärts. Endlich ging es in die Ebene, dort wollte er schon lange hin. Er fand eine große Kuhle, die war zwar mit Wasser gefüllt, aber ein Bad konnte ja nicht schaden, und so legte er sich hinein und es ging ihm gut und er schlief ein. Wieder verging eine lange Zeit. Als er erwachte hatte sich vieles verändert und er staunte und wurde neugierig und ging weiter.
Der Winter hatte sich zurückgezogen und die Erde war mit Grün bedeckt, doch überall lagen Felsbrocken und Steine herum. Der Riese wanderte mit seinen Holzschuhen über die neue Erde. Bäume waren in den Himmel gewachsen und er riss einen mit der Wurzel aus und nahm ihn als Wanderstock. Weit wanderte er ins Land hinein und doch hatte er das Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Er traf niemanden, ab und zu kam ihm ein Tier in den Weg.
Auf einmal tat ihm sein rechter Fuß weh, sodass er nicht mehr weiter gehen wollte. Er setzte sich auf einen grünen Hügel und zog den rechten Holzschuh aus. Jetzt hatte er den Missetäter gefunden, ein Stein war in seinem Schuh und der Riese war sehr ärgerlich, daß er so geplagt worden war. Er nahm den Stein und warf ihn hinter sich. Der Stein blieb am Rand des Grünen Hügels liegen und da liegt er heute noch. Wenige Menschen kennen ihn noch und heißen ihn Heidenstein.
Warum? Na, der Riese war wohl nicht getauft!